Politisch, weiblich, richtig gut!

Als unser künstlerischer Leiter Oliver Strauch 2023 fill in als Festival initiierte, war für ihn klar, dass er eine Mischung aus arrivierten Weltstars und aufstrebenden Talenten zeigen wollte. Die Großen des Genres sollten die ganze Qualität des Jazz, die Talente die aktuellen Trends zeigen. Im ersten Jahr war dieses Ansinnen noch gut zu erkennen, inzwischen ist die Qualität des Festivals so gestiegen, dass man kaum noch zwischen arrivierten und angehenden Weltstars unterscheiden kann. Das beweist nichts so gut, wie der erste Festivalabend. Zuerst spielen Stochelo und Mozes Rosenberg, die als große Gitarrenvirtuosen gelten dürfen, dann Lakecia Benjamin. Wer ist hier noch Star und wer Talent?

Der arrivierte Weltstar ist sicher Stochelo Rosenberg, allerdings steht ihm Lakecia Benjamin in nichts nach. Seit ihrem Album „Phoenix“ (2020) erlebte sie einen raketenhaften Aufstieg. Lange nur eingefleischten Jazzfans ein Begriff, bekam sie nun drei Grammy-Nominierungen für das Studioalbum und zwei für die Live-Aufnahme. Dazu im vergangenen Jahr den Deutschen Jazzpreis.

Wenn man über Trends im Jazz redet, dann kommt man an Lakecia nicht vorbei. In den letzten Jahren hat die New Yorker Jazzszene wieder stark an Einfluss gewonnen. Das liegt auch und vor allem an „Jazz at Lincoln Center“, das spätestens mit der Übernahme der künstlerischen Leitung durch Wynton Marsalis wieder einer der weltweiten Hotspots des Jazz ist. Nicht weniger daran beteiligt sind die großen Jazzclubs wie das Smoke, das Village Vanguard, die Jazz Gallery und natürlich das Apollo Theater.

Benjamin wuchs inmitten der Stadt auf, im Viertel „Washington Heights“, damals geparkt von dominikanischen Migranten, von Gewalt und Kriminalität – das prägt ihr musikalisches Werk. Schon früh begann Benjamin mit dem Saxophonspiel, bewarb sich an der Fiorello LaGuardia High School für darstellende Künste und spielte dem Jazzmusiker Bob Steward vor. Steward bescheinigt ihr Talent und ließ sie Jazz hören, um sie in das Schulorchester aufzunehmen. Hier war sie bald Bandleaderin. Sie war von der Musik so begeistert, dass sie nach der High School im Jazzprogramm der New Yorker New School studierte. Da spielte sie schon mit Größen wie Clark Terry und Rashied Ali.

Legendär ist die Geschichte, wie Benjamin versuchte, Prince‘ Aufmerksamkeit zu ergattern um mit ihm spielen zu dürfen. Mehrfach hatte sie versucht, zu dem Künstler auf die Bühne zu stürmen, um mit ihm zu jammen. Das Ansinnen scheiterte, bis ein solcher Versuch in einen Tumult mit dem Türsteher gipfelte. Der Vorfall drang bis zu Prince vor und der war wohl so beeindruckt von der jungen Frau, dass er sie zum Vorspielen einlud. Zwei Wochen lang durfte sie dann auf seinen After-Shows Musik machen. Eine besondere Ehre!

Auch wenn Benjamin immer Jazzmusikerin war, spielte sie auch mit Pop-Größen wie Stevie Wonder und Alicia Keys und Hip-Hop-Stars wie Missy Elliott, Lil Wayne, Jay-Z und J Cole. Ihr erstes eigenes Album erschien 2012 und war eine Mischung aus Jazz mit ganz viel Soul und Funk. Mit „Pursuence: The Coltranes“ wagte sie sich ein paar Jahre später ganz in den traditionellen Jazz und legte ein grandioses Album vor. Die Saxophonistin spielte Arrangements von Alice und John Coltrane ein. Die Kritik war begeistert. Es war ihr großer Durchbruch und zeigte erstmals ihr ganzes Können. Ron Carter und Dee Dee Bridgewater als Gastmusiker sprechen eine deutliche Sprache.

Mit ihrem aktuellen Studioalbum „Phoenix“ (2020) geht sie ihren Weg bewusst weiter. Neben Jazz, Funk und Soul spielt nun auch Hip-Hop eine nicht unwesentliche Rolle. Musikalisch ist das längst höchstes Niveau und Benjamin zeigt in ihren Texten, was sie umtreibt: Kriminalität, Gewalt, Diskriminierung sind ihre Themen und sie sind in Trump Vereinigten Staaten aktueller denn je.

Besonders drastisch ist der letzte Song des Albums: „Amerikkan Skin“, das mit einer Schießerei und Polizeisirenen startet, dann setzt die Stimme von Bürger- und Frauenrechtlerin Angela Davis ein, gefolgt von einem dramatischen Saxophon und einem gehetzten Drumbeat. Benjamins Saxophonsound ist sonst eher im latein- und afroamerikanischen Jazz zu Hause mit starken Anklängen an den Modern Jazz. Hier ist sie ganz um zeitgenössischen Jazz und nimmt viele Einflüsse der New Yorker Jazzszene auf, ihr Sound ist extrem energiegeladen und intensiv.

Ich bin mir sicher, dass dieses Konzert niemanden in den Stühlen halten wird und freu mich wahnsinnig auf diesen Abend. es wird ein Genuss!