Mit Martin Weinert hat die Region einen herausragenden Jazzmusiker, der in diesem Jahr das fill in – International Jazz Festival Saar eröffnet. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2020 waren er und seine Frau Susan nicht ohneeinander denkbar. Fast symbiotisch spielten die beiden vierzig Jahre gemeinsam Musik.
Susan Weinert war eine Ausnahmemusikerin. Sie nahm früh Unterricht bei den Jazzmusikern David Liebman und Richie Beirach sowie den Gitarristen John Abercrombie und Mike Stern. Martin begann 1976 damit, Bassgitarre in einer Rockband zu spielen. Anfang 1977 spielte ihm jemand ein Stück der Billy-Cobham-Platte „Total Eclipse“ vor, die alles veränderte: „Ich wusste sofort, dass ich zum Jazz würde konvertieren müssen, was ich auch tat. Über Billy Cobham entdeckte ich Miles Davis, John McLaughlin und sein Mahavishnu Orchestra sowie Weather Report. Das Album „Heavy Weather“ begeisterte mich völlig und das Spiel auf der Bassgitarre von Jaco Pastorius beeinflusste mich maßgeblich. Über seine Mitwirkung im Pat Metheny Trio stieß ich auf diesen wundervollen Musiker.“
Susan und Martin Weinert lernten sich 1981 über gemeinsame Freunde kennen. Weinert erinnert sich im Rückblick: „Wir spürten direkt, dass wir zusammengehören, als Liebespaar und künstlerisch. Unverzüglich begannen wir an einem Bandkonzept zu feilen.“ Im Jahr 1982 folgte der erste gemeinsamer Auftritt.
Drei Jahre später gründete das Paar die Susan Weinert Band, in der die Weinerts mit dem Schlagzeuger Hardy Fischötter spielten. Spielte das Trio in der Frühphase vor allem Fremdkompositionen, komponierte Susan Weinert ab 1990 auch eigene Stücke und bald spielte die Band nur noch die Stücke der Gitarristin. Das erste Album „Mysterious Stories“ wurde zum großen Erfolg. Jazzlegende Mike Mainieri meldete sich bei Weinert und wollte die Gitarristin unbedingt als Gastsolistin für seine damals Stil prägende Band „Steps Ahead“ zu verpflichten.
Im Jahr 1994 stieß Keyboarder Oliver Heuss zum Trio. In der Folgezeit wich der raue Jazzrock- und Fusionsound ruhigeren Klängen, was auch dem Klavierspiel von Jazzpianistin Rachel Z geschuldet war, die Ende der 1990er Jahre zur Band stieß. Die Weinerts probierten in den Folgejahren größere Bandbesetzungen aus, Bläser stießen zur Gruppe, Anfang der 2000er Jahre integrierten die beiden auch Gesang. Der Sound von Weinert war in dieser Zeit geprägt von der Vielseitigkeit ihres Lehrers Abercrombie, an den vieles erinnert, ohne dass Weinert ihn je kopiert hätte.
Als die beiden im Jahr 2004 das eigene Label Tough Tone Records gründeten, wandelte sich auch die Musik und wurde immer authentischer und unabhängiger. Mit dem Sänger Francesco Cottone spielen die Weinerts 2004 und 2006 zwei Alben ein, die stark vom Gesang geprägt sind, spätestens mit „Dancing in the Water“ wurde der Sound in ersten Liedern ruhiger. Das Schlagzeug schien als Rhythmusinstrument nicht mehr recht zu passen. Elektrische Gitarre und E-Bass wurden gegen Kontrabass und akustische Gitarre getauscht. Mit „Tomorrow’s Dream“ entstand 2007 ein Album, das einen neuen akustischen Sound ausgab, der in den Folgejahren das Wirken der Weinerts nachhaltig prägte. Sehr unterschiedlich sind die Stücke, doch immer harmonisch rund und warm, weich und mit einer klaren Akustikgitarre.
Mit der Gründung des Rainbow Trios scheinen die beiden Ausnahmemusiker eine Heimat gefunden zu haben und feierten mit Pianist Sebastian Voltz große Erfolge. Doch das Schicksal verändert das Leben des Paares nachhaltig. Susan Weinert erkrankte an Krebs.
Ihrer Musik konnte der Schicksalsschlag nichts anhaben. Immer stärker wurden in den Folgejahren ihre Stücke eine wunderbare Melange aus Jazz, Klassik und Weltmusik. Mit ihrem [Synergy Duo] war das Ehepaar Weinert als Duo unterwegs und pflegte einen wunderbar leichten, fast experimentellen und virtuosen Sound, der ganz von der musikalischen Zwiesprache der beiden geprägt war. Mit der norwegischen Sängerin Torun Eriksen bildete man das Fjord Trio, das wieder einen ganz anderen, Energie geladenen Klang versprühte und mit Saxophonist Andrzej Olejniczak spielten die beiden im Trio W.O.W. einen Jazz, der stark von Weltmusik geprägt war. Nichts schien den Weinerts in dieser Zeit zu misslingen, jedes Stück scheint sorgsam austariert zu sein, ganz zugeschnitten auf die Gitarre und dabei doch immer genug Platz lassend für die anderen Instrumente, die kongenial eingebunden sind.
Am 2. März 2020 erlag Susan Weinert ihrem Krebsleiden, mit dem sie ein ganzes Jahrzehnt gelebt hatte. Bis zuletzt spielte und komponierte sie. Die letzte gemeinsame CD „Der Baum vor meinem Fenster“ erschien posthum. Wer dort aber nun einen bitteren Abgesang auf das Leben erwartet, wird enttäuscht. Der Sound des Albums ist heiter bis melancholisch und feiert das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen.
Man hätte durchaus verstanden, wenn Martin Weinert ohne seine Frau nie wieder hätte auf einer Bühne stehen wollen und vielleicht war das auch sein erster Impuls. Doch er führt das gemeinsame Lebenswerk fort. Seine Erklärung leuchtet sofort ein: „Mein Beweggrund, die gemeinsame Arbeit weiterzuführen und mit den Menschen zu teilen“, so Weinert, „ist einfach der, dass ich mich in diesem über die Jahre gewachsenen Klangkosmos zuhause fühle und mir die Klänge ein Wohlgefühl bereiten. Sie sind meine musikalische Heimat.“
Martin Weinert ist dem Martin Weinert Nachtwind Ensemble zurück und spielt späte Kompositionen seiner Frau, die teilweise nur in Fragmenten vorhanden waren. Und Weinert wagt ein Experiment, das hätte schief gehen können. Er lässt eine Leerstelle und ersetzt seine Ehefrau an der Gitarre nicht. Das wäre auch kaum möglich gewesen, denn Weltklassegitarristin vom Format Susan Weinerts gibt es kaum. Irgendwie hätte es sich auch wohl nicht nur für Martin komisch angefühlt.
Mit dabei ist noch vom Rainbow Trio Sebastian Voltz. Außerdem sind der Perkussionist Daniel Weber und die Violinistin Héloïse Lefebvre mit von der Partie. Sie übernimmt die Melodien der Gitarre, ersetzt diese aber nicht einfach, sondern nimmt den Klang von Weinert auf, interpretiert ihn aber eigenständig, sodass etwas ganz Eigenes und Neues entsteht. So wird es ein ganz besonderer Freitagabend werden.