Ich habe Alfredo Rodríguez vor einigen Jahren eher zufällig entdeckt. Immer mal wollte ich zum Jazzfestival im französischen Junas, weil ich viel Gutes gehört hatte. Mitte Juli 2017 war ich in der Region, hatte eher zufällig einen Tag Zeit und wollte unbedingt eines der Konzerte besuchen.
Das Festival ist nicht groß, hat aber jedes Jahr ein tolles Line-Up und ein ganz besonderes Flair, weil die Abendkonzerte bei Sonnenuntergang in einem Steinbruch stattfinden. Ich hatte von Rodríguez schon gehört, hatte ihn aber nicht auf dem Schirm. Pianist? Kubaner? Klang alles gut und die YouTube-Videos machten Lust auf mehr.
Der Abend begann sanft. Während des Sonnenuntergangs eröffnete Rodríguez am Flügel mit einem verträumt-ruhigen Sequenz – passend zur Abendstimmung. Ich war sofort gefangen genommen von der Intensität des Spiels und der Spielfreude, die Rodríguez zeigte. Er schien allein zu sein und wir als Publikum durften ihm beim Jammen durchs Schlüsselloch zuschauen.
Nach rund zwei Minuten hielt der Pianist eine Sekunde inne und vollzog dann einen Tempowechsel, dass einem der Atem stockte. Der Kontrabass (Reinier Elizarde) setzte ein, dann das Schlagzeug (ich glaube, es war Michael Olivera) und Rodriguez drosch förmlich auf das Klavier ein und schwenkte auf einen heißen afrokubanischen Sound um. Die drei Musiker hatten auf der Bühne richtig Spaß und das Publikum war sofort hingerissen. Es war ein traumhafter Abend mit drei grandiosen Musikern.
Rodríguez‘ Biografie beginnt meist mit dem Jazz Festival in Montreux. Im Jahr 2006 nahm er dort am Wettbewerb teil, wo Quincy Jones au f ihn aufmerksam wurde. Seine Karriere begann aber schon viel früher und sein Talent wurde ihm in die Wiege gelegt. Der Vater war Sänger und Komponist, Rodríguez studierte klassisches Klavier an Konservatorien in Havanna, die alle einen ausgezeichneten Ruf haben. In dieser Zeit wurde auch sein Interesse am Jazz geweckt.
Die „Entdeckung“ von Jones machte für den jungen Künstler vieles leichter, denn Jones produzierte die ersten Alben von Rodríguez. Schon mit „Sounds of Space“ machte der Pianist klar, welches Talent in ihm steckte. Erstaunlich reif ist das Werk. Mit scheinbarer Leichtigkeit mischte Rodríguez komplexe Rhythmen von Jazz und Klassik mit Einflüssen seiner Heimat und Lateinamerikas. Dabei ist er sehr einfallsreich und stilistisch vielfältig. Heiter-beschwingt, nachdenklich-melancholisch, leise und ganz laut. Auf jeder Platte ist ein Lied jazzig „gecovert“, ein Popsong wie „Thriller“, ein kubanisches Volkslied wie „Ay Mama Ines“ oder ein Jazzstandard wie „Bésame mucho“.
In seinem neuen Album „Coral Way“ erfindet sich der Kubaner nicht neu, es ist eine behutsame Weiterentwicklung seines Stils. Da ist das heitere „Coral Way“, das von Rodríguez‘ Spiel auf dem Synthesizer lebt, dann etwa „Fidju du Lua“, mit der fabelhaften Alana Sinkëy, das Bilder von Kuba wachruft, oder das verträumte „Distant Memories“. Und Rodríguez bleibt seiner Idee treu: er nimmt „Für Elise“ von Beethoven in einer jazzigen Version auf, die zum Mitschnippen einlädt. Das funktioniert sogar!
Alfredo Rodríguez wird bei fill in am Samstag, 29. Juni 2024 um 20 Uhr auftreten und es wird ein toller Sommerabend – da bin ich sicher!